Russlands mysteriöse Freimaurer

( Russia Beyond)

Russlands erster Freimaurer war einer Legende zufolge Peter der Große. Aber auch andere große Russen sollen bei den Freimaurern gewesen sein, von Dichter Alexander Puschkin bis hin zum Chef der provisorischen Regierung des Revolutionsjahres 1917, Alexander Kerenski. Dennoch hatten die Freimaurerlogen in Russland einen zweifelhaften Ruf und wurden immer wieder verboten. Aber woher kam diese Skepsis? Hatten sie etwa wirklich Einfluss auf die Politik im Lande?

England und Russland

Die Freimaurerei kam 1731 nach Russland, als der Großmeister Lord Lovell der britischen Großloge den Kapitän John Phillips zum Großmeister Russlands ernannte. Doch Phillips predigte die Lehre nur im engen Kreis derjenigen Ausländer, die dienstlich in Russland waren. Derweil war die Loge in Russland überhaupt notwendig geworden, weil sich Vertreter der britischen Handels- und Politikelite in Russland aufhielten und den Freimaurern angehörten. Sie waren es dann auch, die von der „Zentrale“ forderten, sich offiziell versammeln zu dürfen…

Das Kernziel der Freimaurer: Die Perfektionierung des Menschen und des menschlichen Geistes. Diese Arbeit wird durch das Schleifen des Steins (ein Sinnbild für den Menschen) symbolisiert. Dieser muss eine gleichmäßige Form annehmen, um sich in das große Bauwerk des Seins einzufügen, welches von dem Großen Architekten des Universums konzipiert wurde – Gott, den jeder Freimaurer ehrt.


Anmerkung : Gerade das genannte Kernziel der Freimaurer, zeigt, wohin die Reise gehen soll. Den Menschen so lange perfektionieren, bis er die Stufe Gottes erreicht hat und sich gottgleich wähnt. Das Endresultat wird der grenzenlose Eingriff in Gottes Schöpfung sein, Stichworte : Genetik, Transhumanismus und Städte der Zukunft, wie “ The Line “ in Saudi Arabien.


weiter im Text :

Russlands High-Society fing erst in den 1740- und 1750ern an, sich den Freimaurern anzuschließen. Damals war die Freimaurerei eher Mode als Berufung. Mitglieder der ersten russischen Loge unter Leitung von Graf Roman Woronzow waren Adelsleute mit renommierten Namen: Sumarokow, Graf Golowin, die Fürsten Golizyn. Zu Beginn der Herrschaft Katharinas der Großen war die Freimaurerei schon so beliebt, dass auch die Machthaber darauf aufmerksam wurden.

Es ging dabei weniger darum, ob und dass Katharinas gestürzter Vorgänger und Ehemann Peter III. den Freimaurern wohlgesonnen war. Vielmehr war es für die Regierende ein Problem, dass die russischen Freimaurerlogen von ausländischen Großlogen geführt wurden: Die Zarin erkannte darin berechtigterweise eine politische Gefahr.

Vom Zeremoniell zur Aufklärung

Die Freimaurerversammlungen in Russland der 1750/60er Jahre wurden nach der Konstitution der Strikten Observanz abgehalten, die vom deutschen Orden der Neotempler erstellt worden war. Die Versammlungen erinnerten eher an große Kostümbälle: In Ritterrüstungen oder mit Federbüschen geschmückt, versammelten sich die Brüder, um Freimaurerfragen zu diskutieren (Politischer Disput war bei diesen Versammlungen verboten!). Danach betranken sie sich meist – bei der sogenannten Agape, dem brüderlichen Abendmahl im Anschluss an die Diskussion.

Bei den russischen Adeligen des 18. Jahrhunderts, alle fast ausschließlich Offiziere, waren solche Ritterversammlungen sehr beliebt, auch wenn sie mit der wahren Freimaurerei wenig zu tun hatten. Der Staatsdiener und Dichter Iwan Jelagin etwa behauptete, er sei den Freimaurern nur aus Eitelkeit beigetreten, um sich die Gunst ranghoher Personen zu sichern, die wiederum selbst der Bruderschaft angehörten.

Der Biograf Osip Prschezlawski schreibt: „Wenn im dienstlichen Wirkungskreis die Wahl für einen neuen Posten von einem Freimaurer abhing und ein Bewerber Freimaurer war, dann fiel die Wahl – ungeachtet aller bedingender Umstände – immer auf den Bruder.“

Bald schon war Jelagin von der Strikten Observanz enttäuscht und erhielt Anfang der 1770er von der britischen Großloge die Erlaubnis zur Gründung einer neuen Freimaurervereinigung in Russland. Zeitgleich gründete der deutsche Baron Reichel in St. Petersburg eine Freimaurervereinigung auf Grundlage des schwedischen Systems von Zinnendorf. Während das System von Jelagin auf die mystische Suche nach dem Freimaurergeheimnis ausgerichtet gewesen war, strebten die Anhänger Zinnendorfs – und eben Reichels – ausschließlich die Selbstperfektionierung an.

Der Kampf zwischen Reichel und Jelagin spielte sich in St. Petersburg ab. Erst ab Ende der 1770er Jahre gewannen Moskauer Logen an Bedeutung. Die größte historische Rolle spielte in dieser Periode der staatsnahe Verleger Nikolai Nowikow. Er war Mitglied der russischen Freimaurerdelegation auf dem historischen Wilhelmsbader Konvent von 1782, wo Russland als eine eigenständige Freimaurerprovinz anerkannt wurde.

Trotz der Vielzahl an Logen (allein in Moskau waren es im 18. Jahrhundert 27) gab es in Russland nur wenige Freimaurer: Der Jelagin-Bund zählte gerade mal 400 Mitglieder. Im Jahr 1776 schloss er sich mit dem Reichel-Bund zusammen. Die Spannungen zwischen ihnen waren damit allerdings nicht völlig beigelegt.

Eine Festung für den Aufklärer

Dann ging in den Moskauer Logen die Arbeit erst richtig los. Ihr Ziel sahen die Freimaurer in der Volksaufklärung und – im weiteren Sinn – in der Erziehung der öffentlichen Sitte. Schon 1780 gründete Nowikow in Moskau die erste öffentliche Bibliothek. Danach zog er de Gelder renommierter Freimaurer dazu heran, eine eigene Druckerei einzurichten und Buchläden in ganz Russland zu eröffnen.

Verlegt wurden Sprachgrammatiken, Schulbücher, westliche Klassik. 1788 verlegte er bis zu 40 Prozent aller russischen Bücher und Zeitschriften. Darunter war auch Freimaurerliteratur. Aufmerksam wurde die russische Führung erst, als Nowikows Zeitschriften über Kriegs- und Revolutionsereignisse in Nordamerika berichteten.

Die Zeitschriften wurden dann dem damaligen Moskauer Mitropoliten Platon zur Prüfung vorgelegt. Dieser fand darunter nur sechs „schädliche“, über Nowikow sagt er aber: „Ich bete zu Gott, dass die Christen weltweit so sein mögen wie Nowikow.“ Trotzdem wurde 1791 die Druckerei geschlossen und Nowikow verhaftet, weil er zuhause noch eine geheime Druckerei unterhalten haben soll. Nach einem Jahr wurde er zu 15 Jahren Haft verurteilt, als Staatsverbrecher. Andere renommierte Freimaurer wurden „nur“ verbannt.

Seitdem war die Freimaurerei in Russland de facto verboten. Nach vier Jahren aber begnadigte der neue Kaiser Pawel I. Nowikow und seine „Brüder“. Seine letzten Lebensjahre verbachte der Verleger dann trotzdem bis 1818 in seinem Anwesen auf dem Land, in Awdotjino.

Übrigens: Als die Napoleon-Armee 1812 in Russland einmarschierte, blieb das Anwesen unberührt: Viele französische Offiziere waren Freimaurer. Das Gleiche geschah mit dem Anwesen der Golizyns in Bolschije Wjasemy bei Moskau. Die Fürsten waren in Europa als Freimaurer berühmt, die Wände des Anwesens waren durch Äpfel und Akazien, bekannte Freimaurersymbole, geschmückt.

Obgleich Pawel I. mit den Freimaurern sympathisierte, hob er das Verbot nicht auf – den Titel des Großmeisters von Russland nahm er auch nicht an. Er zog es vor, Großmeister des Malteser Ordens zu werden. Die Freimaurerei entwickelte sich erst unter der Herrschaft seines Sohnes, Alexanders I., weiter. Der liberale Charakter seiner Herrschaft förderte die Freimaurerei: Neue Logen wurden gegründet, die Zahl der Freimaurer stieg.

Berühmte Freimaurer waren dann unter anderem: Puschkins Onkel und Großfürst Konstantin Pawlowitsch, Wassilij Lwowitsch, der berühmte Rechtsgelehrte Michail Speranski, der General Michail Kutusow und viele andere.

Zum Ende seiner Herrschaft wurde Zar Alexander aber zunehmend konservativ und misstrauisch. Gerüchte und Tatsachen über Geheimgesellschaften beunruhigten ihn. 1822 erließ er darum das Dekret „Über die Vernichtung von Freimaurerlogen und aller Geheimbünde“.

Die Attraktivität des Mysteriums

Freimaurerlogen und ähnliche Vereinigungen kamen erst kurz vorm Untergang des Imperiums in Russland wieder auf, nach 1905. Logen gab es viele, die Satzungen und Konstitutionen aber gerieten immer wieder in Konflikt miteinander – allerdings ohne großen Einfluss auf das politische Leben des Landes. Selbst ungeachtet dessen, dass viele Mitglieder der provisorischen Regierung wie auch deren Vorsitzender Kerenski Freimaurer waren, gingen die Querelen unter den grausamen politischen Ereignissen zu Anfang des 20. Jahrhunderts unter. Wie Professor Jewgeni Ptschelow, Experte für die Geschichte der Zarenfamilie Romanov, meint, sind es eine klare Übertreibung und Verschwörungsdenken, „eine Freimaurerverschwörung hinter der Februarrevolution zu sehen“.

So lässt sich laut Ptschelow auch die Legende über die Angehörigkeit Peters des Großen zu den Freimaurern bezeichnen. Das belegten „weder Dokumente noch Informationen“- und es sei auch einfach unwahrscheinlich: „Legenden besagen, dass der Zar während der Großen Gesandtschaft in Europa 1697–1698 den Freimaurern beitrat – noch vor der offiziellen Gründung der spekulativen Freimaurerei in Russland 1717.“
Wir haben es also erneut, wie in der gesamten Geschichte der Freimaurerei mit Mythen und Geheimnissen zu tun. Aber genau das war es sicher auch, was die bessergestellten und reichen Russen so anzog.

Die Wiedergeburt der Freimaurerei in Russland begann 1990, als Georgi Dergatschjow zum Freimaurer geschlagen wurde. 1991 wurde mit dem Patent des Großorients von Frankreich die neueste Freimaurerloge in Moskau gegründet, 1995 folgte die Großloge von Russland, die seitdem rund 50 Logen gegründet hat. Der heutige Großmeister von Russland ist der Politiker Andrej Bogdanow, der 2008 für das Amt des russischen Präsidenten kandidierte.

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